Im Jahre 1987 verstärkte die Opposition in Estland ihre Aktivitäten angesichts der Pläne zur Errichtung eines Phosphorit-Bergwerks, das die Gefahr einer ökologischen Katastrophe heraufbeschworen hätte. Im Juni 1988 stimmten die in der Hauptstadt Tallinn versammelten Menschenmengen nach einem Festival spontan patriotische Lieder an. Auf diese Weise begann die „Singende Revolution” der Esten. Am 1. Oktober 1988 entstand die „Volksfront“, wobei die Idee der Loslösung von Moskau auch von Teilen der Kommunisten unterstützt wurde. Im November 1988 erklärte sich Estland offiziell für unabhängig und proklamierte u.a. den Vorrang des estnischen vor sowjetischem Recht. Bald darauf führte man die estnischen Nationalfarben wieder ein. Estnische, lettische und litauische Flaggen wehten über zwei Millionen baltischer Bürger, die am 23. August 1989 eine „Menschenkette” zwischen Tallinn, Riga und Vilnius bildeten.

 

In den Wahlen zum Obersten Sowjet im März 1990 gewann die Volksfront zusammen mit den für die Unabhängigkeit votierenden Kommunisten die Mehrheit. Bereits einen Monat zuvor war der „Kongress von Estland“ gegründet worden, der allerdings keine reale politische Macht besaß. An den Wahlen zum Kongress durften nur estnische Bürger der Zwischenkriegszeit und deren teilweise in der Emigration lebende Nachkommen teilnehmen. Dabei kandidierten Vertreter zahlreicher neuer Parteien und gesellschaftlicher Bewegungen. Im Referendum vom März 1991 unterstützte die Mehrheit der Esten die Unabhängigkeit ihres Landes.

 

Ähnlich wie in anderen Staaten der UdSSR stellte sich die kremltreue „Interfront” auch den lettischen Bestrebungen nach nationaler Unabhängigkeit entgegen. Unterstützt wurde sie dabei vor allem von Vertretern der großen russischen Minderheit. Während des Putsches in Moskau erfolgte ein Umbruch. Am 20. August 1991 erklärte sich Estland offiziell für unabhängig. Die in Tallinn einmarschierten sowjetischen Truppen wurden nach der Niederlage der Putschisten abgezogen. Vertreter von Oberstem Sowjet und Kongress schlossen sich zur Verfassunggebenden Versammlung zusammen. Nach der Verabschiedung der Verfassung wählte man im September 1992 das Parlament der unabhängigen Republik Estland. Die darauffolgenden Jahre waren von schwierigen ökonomischen und sozialen Reformen geprägt, die im Jahre 2004 in den Beitritt zu NATO und EU mündeten.