Seit Mitte 1989 hingen in der „Deutschen Demokratischen Republik“ (DDR) politische Veränderungen in der Luft, die unter dem Einfluss des rasch voranschreitenden Auflösungsprozesses in den kommunistischen Staaten Mittel- und Osteuropas an Dynamik zunahmen. Im Sommer 1989 begaben sich immer mehr DDR-Bürger, die damals in den sozialistischen Nachbarländern ihren Urlaub verbrachten, in die Botschaften der Bundesrepublik Deutschland in Budapest, Prag und Warschau, um eine Genehmigung zur Ausreise nach Westdeutschland zu beantragen. Tausende von ihnen nutzten auch die Öffnung der österreichisch-ungarischen Grenze, um über Österreich in die Bundesrepublik zu gelangen. Auf Bitte von Bundeskanzler Helmut Kohl ermöglichte die ungarische Regierung am 10. September 1989 den mit bundesdeutschen Eisenbahnen durchgeführten Transport von ca. 25.000 Flüchtlingen in die Bundesrepublik. Die massenhafte Fluchtbewegung aus der DDR trieb viele ihrer Bürger zu lautstarken Protesten auf die Straße. Als die Welle der Demonstrationen zunahm, zwang das Politbüro der „Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands“ (SED) den seit 1971 herrschenden Staats- und Parteichef Erich Honecker zum Rücktritt. An seine Stelle trat Egon Krenz. Dennoch kam es daraufhin immer öfter zu öffentlichen Protesten gegen das SED-Regime, wobei die Massendemonstrationen in der ersten Novemberwoche 1989 ihren Höhepunkt erreichten.

 

Am 9. November 1989 kündigte SED-Pressesprecher Günter Schabowski irrtümlich die Öffnung der DDR-Grenzen an. Daraufhin strömten große Menschenmassen in der ostdeutschen Hauptstadt spontan an die Berliner Mauer, um auf die andere Seite zu gelangen. Dadurch kam es de facto zur Öffnung der innerdeutschen Grenze. Die DDR-Bürger begannen eine Mauer zu zerlegen, die über 28 Jahre lang das stärkste Symbol und zugleich augenfälligste Zeichen der Teilung Europas im Kalten Krieg gewesen war. Dieses unerwartete historische Ereignis kam für Bundeskanzler Kohl während seines Staatsbesuches in Polen völlig überraschend und bewegte ihn zu einer kurzen Unterbrechung des Aufenthalts in Warschau. Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Veränderungen hatte die am 12. November 1989 in Kreisau stattfindende deutsch-polnische „Versöhnungsmesse“ auch eine gesamteuropäische Bedeutung.

 

Als Bundeskanzler Kohl am 19. Dezember 1989 erstmals zu einem Besuch in die DDR reiste, begrüßte ihn die Menschenmenge mit dem Ruf „Deutschland einig Vaterland”. Nach damaligen Umfragen sehnten über 70% der DDR-Bürger eine staatliche Vereinigung mit der Bundesrepublik herbei. Unterdessen fanden am „Runden Tisch“ in Ostberlin intensive Gespräche zwischen den SED-Machthabern und den Führungskräften der größten Organisationen der demokratischen Opposition statt. Noch vor Abschluss der Verhandlungen am 15. Januar 1990 umstellten über 100.000 Demonstranten die Berliner Stasi-Zentrale. Die Menschenmenge drängte ins Gebäudeinnere und rettete riesige Aktenberge des Staatssicherheitsdienstes vor der Vernichtung.

 

Unter dem Einfluss des wachsenden gesellschaftlichen Drucks wurde am 28. Januar 1990 eine Übergangsregierung gebildet. Ministerpräsident wurde der Dresdner SED-Chef Hans Modrow. Nach seinem Amtsantritt stellte der neue Regierungschef der DDR-Volkskammer einen Entwurf zur Vereinigung beider deutscher Staaten vor.

 

Währenddessen unternahm Bundeskanzler Kohl intensive diplomatische Anstrengungen, um die vier Siegermächte davon abzuhalten, den innerdeutschen Einigungsprozess zu blockieren. Dazu traf er sich mit dem französischen Staatspräsidenten François Mitterrand, dem sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow und US-Präsident George Bush. Alle drei Staatsoberhäupter zeigten Verständnis für das Streben der Deutschen nach Wiederherstellung der staatlichen Einheit, betonten aber zugleich die Befugnisse der Siegermächte bei der Entscheidung über Deutschland als Ganzes. Am 7. Februar 1990 bot Kohl der DDR-Regierung die Gründung einer Währungsunion an, die den nächsten Schritt auf dem Weg zur Wiedervereinigung beider deutscher Staaten darstellen sollte.

 

Infolge der sich hinziehenden Verhandlungen fand die erste freie Volkskammerwahl in der DDR erst am 18. März 1990 statt. Dabei erlitten die regierenden Kommunisten der „Partei des Demokratischen Sozialismus“ (PDS) eine klare Niederlage. Ein ähnliches Schicksal ereilte die politischen Gruppierungen der demokratischen Opposition – vor allem wegen ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der Wiedervereinigung Deutschlands.

 

Aufgrund der massiven Unterstützung Kohls ging die christdemokratische „Allianz für Deutschland“ unter ihrem Spitzenpolitiker Lothar de Maizière in der Volkskammerwahl als Sieger hervor.

 

Bald darauf unternahm Bundeskanzler Kohl noch intensivere diplomatische Aktivitäten. In Kooperation mit dem damaligen FDP-Koalitionspartner und Außenminister Hans-Dietrich Genscher entschloss sich Kohl zu weiteren politischen Initiativen, um den Wiedervereinigungsprozess zu beschleunigen. Als vorrangiges Problem erwiesen sich dabei die Vorbehalte der Siegermächte sowie die von Polen artikulierten Befürchtungen bezüglich der Bestätigung der Unverletzlichkeit seiner Westgrenze im Falle einer Wiedervereinigung Deutschlands. Diese Fragen konnten in den seit Mai 1990 laufenden Zwei-plus-Vier-Verhandlungen letztlich übereinstimmend gelöst werden. An den Verhandlungen nahmen beide deutsche Staaten, Großbritannien, Frankreich, die USA und die UdSSR teil. Auf die Pariser Zwei-plus-Vier-Konferenz im Juli 1990 wurde trotz anfänglicher Zweifel Kohls auch der polnische Außenminister Krzysztof Skubiszewski als offizieller Beobachter eingeladen. Am 12. September 1990 kam es zur Unterzeichnung des „Vertrages über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland“ (sog. Zwei-plus-Vier-Vertrag). Damit war der Weg für die Wiedervereinigung endgültig geöffnet.

 

Noch während der Zwei-plus-Vier-Verhandlungen unterzeichneten beide deutsche Regierungen am 18. Mai 1990 einen Vertrag über eine Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion, der am 1. Juli 1990 in Kraft trat. Dies führte zu einer rasanten Beschleunigung der revolutionären sozioökonomischen Veränderungen in der DDR. Ende 1990 hatten bereits knapp 650.000 Ostdeutsche ihren Arbeitsplatz verloren. Zur gleichen Zeit erwarben zahlreiche DDR-Bürger in der Bundesrepublik fast eine halbe Million Gebrauchtwagen, was die ostdeutsche Automobilindustrie unweigerlich in den Bankrott trieb. Lediglich das durch ein Abkommen mit dem VW-Konzern weiter in Betrieb befindliche Trabant-Werk in Zwickau wurde noch bis Frühjahr 1991 aufrechterhalten. Zugleich begann eine Expansion großer westdeutscher Wirtschaftsunternehmen auf dem ostdeutschen Markt, dessen einzelne Segmente schrittweise übernommen wurden.

 

Die am 17. Juni 1990 gegründete „Treuhandanstalt“ war für die gesamte Restrukturierung der ostdeutschen Volkswirtschaft verantwortlich. Die Treuhand nahm ca. 14.000 Staatsbetriebe unter ihre Verwaltung, von denen 4000 aufgelöst und der Rest zumeist an Investoren aus der Bundesrepublik verkauft wurde. Lediglich 6% der privatisierten Firmen gelangten in die Hände von Geschäftsleuten aus der DDR. Gleichzeitig garantierte die Bundesregierung des wiedervereinigten Deutschlands den östlichen Bundesländern eine langfristige finanzielle Unterstützung, die deren Wirtschaftswachstum beschleunigen und die gravierenden Einkommensunterschiede zwischen West- und Ostdeutschland nivellieren sollte. Bis 2009 wurden für diese Ziele aus dem Bundeshaushalt über zwei Billionen Euro ausgegeben. Zur Finanzierung dieser Sonderausgaben führte man bereits 1991 in ganz Deutschland einen „Solidaritätszuschlag“ in Höhe von 7,5% des Bruttoeinkommens natürlicher und juristischer Personen ein (1998 auf 5,5% reduziert).

 

Seit Herbst 1990 kam es auch zur tiefgreifenden Umgestaltung von Staatsverwaltung und Justiz in Ostdeutschland. Bis Mitte 1991 wurden in den östlichen Bundesländern ca. 10.000 Beamte, Richter und Staatsanwälte aus der „alten“ Bundesrepublik angestellt. In deren Händen befanden sich je nach Institution 80-100% aller leitenden Stellungen. Nach der vollzogenen Entkommunisierung waren in den östlichen Bundesländern nur noch 18% der Richter mit ostdeutscher Abstammung beschäftigt.

 

Im Zentrum der dynamischen Veränderungen stand gemäß dem am 31. August 1990 in Ostberlin unterzeichneten Einigungsvertrag die offizielle Wiedervereinigung beider deutscher Staaten. Am 3. Oktober 1990 wurde kurz nach Mitternacht vor dem Reichstagsgebäude zur Einleitung der Wiedervereinigungsfeier die bundesdeutsche Flagge aufgezogen. Seitdem ist dieser „Tag der Deutschen Einheit” gesetzlicher Feiertag. Einen Tag darauf wurde der evangelisch-lutherische Pastor Joachim Gauck zum Bundesbeauftragten für die Unterlagen des DDR-Staatssicherheitsdienstes ernannt. Die Stasi-Akten wurden in der Folgezeit systematisch archiviert und durch die sog. „Gauck-Behörde“ auf Antrag öffentlich zugänglich gemacht.

 

Die Wiedervereinigung vollzog sich de facto durch die Zustimmung der letzten Machthaber der DDR zum Beitritt ihres Staates zur „alten“ Bundesrepublik. Zugleich nahm man damit das 1949 in Bonn verabschiedete Grundgesetz und die föderale Verfassungsordnung der Bundesrepublik an. Erst nach dieser formalen Zustimmung setzte der eigentliche schwierige und langfristige Transformations- und Vereinigungsprozess auf dem Gebiet der ehemaligen DDR ein.